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  • Rahel Weiss

''Das Leben im Rückkehrzentrum wäre Gift für die Kinder''

Aktualisiert: 2. Juni 2023

«DAS LEBEN IM RÜCKKEHRZENTRUM WÄRE GIFT FÜR DIE KINDER»


Im Hinblick auf die drohende Ausschaffung soll die Bieler Familie Safaryan/Mikayelyan aus ihrer Wohnung in einen Container übersiedeln. Unterstützer wollen das mit einer privaten Unterbringung verhindern. (Daniela Deck, bielertagblatt.ch 14.02.2020)


Jetzt droht der Verlust der Wohnung und das Leben im Container. Die Familie Safaryan/Mikayelyan soll nach dem Ende des Schuljahres aus ihrer Wohnung in Biel in ein Rückkehrzentrum übersiedeln.


Zum ersten Mal hörte die Familie Mitte Januar von der behördlichen Anordnung, als sie Post vom Migrationsdienst des Kantons erhielt. Dabei handelt es sich um ein Schreiben, das nach Aussage von Laura Rossi, Anwältin der Familie, an alle abgewiesenen Asylbewerber gegangen ist, die ausserhalb der Rückkehrzentren untergebracht sind.

Gestern Nachmittag hat beim kantonalen Migrationsdienst in der Stadt Bern das sogenannte Umsiedlungsgespräch stattgefunden. Die Bieler Stadträtin Ruth Tennenbaum (Passerelle) hat Arpine Safaryan und Ashot Mikayelyan begleitet. Sie sagt: Im Zentrum des Gesprächs habe die Information zur finanziellen Rückkehrhilfe gestanden. Der Anspruch darauf müsste bis zum 15. März angemeldet werden. Doch das sei für die Familie keine Option. «Sie sehen keine Zukunft ausserhalb der Schweiz», sagt Tennenbaum.


Noch unklar ist ihr zufolge, ob die Familie nach Bözingen oder nach Aarwangen transferiert werden soll. Im ersten Fall könnten die Kinder in ihren Klassen im «Sahligut» bleiben, im zweiten Fall müssten sie die Schule im Zentrum selbst besuchen.


Überraschendes Angebot

Plötzlich habe das Gespräch eine überraschende Wendung genommen. Das Ergebnis: Vielleicht bleibt der Flüchtlingsfamilie wenigstens das Leben im Container erspart. «Es besteht die Möglichkeit einer privaten Unterbringung», sagt Tennenbaum. In diesem Fall müssten alle Kosten ausser der Krankenkasse von privater Seite übernommen werden. Und: Der Wohnsitz der Familie müsste den Behörden weiterhin bekannt sein. «Ich bin froh über diese Botschaft und darüber, dass ich das Thema zur Sprache gebracht habe», sagt die Politikerin.

Die Medienabteilung des Amts für Bevölkerungsdienste bestätigt, dass eine private Unterbringung abgewiesener Asylbewerber grundsätzlich möglich sei. Die Voraussetzung dafür sei eine schriftliche Vereinbarung, die durch alle Parteien unterzeichnet wird und in der die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind. Derzeit gebe es im Kanton rund 25 solche Vereinbarungen.

Ein erster Termin für das Umsiedlungsgespräch vom 6. Februar war verschoben worden. «An diesem Tag hatten die Eltern ihre Spracheinstufungstests», erklärt Anwältin Rossi den Aufschub. Das fehlende Sprachzertifikat war einer der Kritikpunkte vonseiten der Stadt Biel.


Wohl der Kinder im Fokus

Auch Stadträtin Anna Tanner (SP) gehört zum Kreis derjenigen, die sich für die Familie einsetzen. Am 5. Februar habe sie ein Gespräch mit Beat Feurer, Direktor für Soziales und Sicherheit, über das Schicksal der Familie geführt.

«Die Zeit drängt», sagt Tanner. Bedingt durch die Neuorganisation im Berner Asylwesen werden die Wohnungen abgewiesener Asylbewerber in den nächsten Monaten aufgelöst. Die Wohnung von Ashot Mikayelyan und Arpine Safaryan sei per Ende Juni gekündigt worden. «Wir klären derzeit ab, wie wir die Wohnsituation der Familie sichern können und welche Möglichkeiten für die Finanzierung in Frage kommen.»

Im Fokus steht dabei das Wohlergehen und die Schulsituation der Kinder. Sie leiden unter der Ungewissheit. Darauf haben ihre Lehrerinnen schon letztes Jahr in zwei Briefen an hochrangige Behördevertreter, darunter Bundesrätin Karin Keller-Sutter, hingewiesen.

Rudolf Albonico, Mitinitiant der Bieler Organisation «Alle Menschen», ist überzeugt: «Das Leben in einem Rückkehrzentrum wäre Gift für die Kinder. Für eine gesunde Entwicklung brauchen sie unbedingt den Kontakt nach aussen.» Diese Organisation unterstützt die Familie im Bemühen in Biel bleiben zu dürfen. Auf der Website alle-menschen.ch ist unter anderem der offene Brief aufgeschaltet, der sich für das Bleiberecht der Familie einsetzt. Gestern Nachmittag hatten gegen 1700 Personen das Begehren unterzeichnet.


Zwischen den Direktionen

Neue Ergebnisse auf städtischer Ebene zugunsten der Familie gibt es nicht. Der offene Brief für ein Aufenthaltsrecht der Familie, den 30 Stadträtinnen und Stadträte Mitte Januar zuhanden des Gesamtgemeinderats unterzeichnet hatten, ist bisher noch nicht beantwortet worden.

Wann der Gemeinderat sich mit dem offenen Brief befasst, ist bei der Direktion Soziales und Sicherheit nicht zu erfahren. Mit Hinweis auf die hängigen Verfahren will sich Generalsekretär René Merz nicht zum Thema äussern. Er teilt lediglich mit, dass sich das Geschäft «derzeit im interdirektionalen Mitberichtsverfahren» befinde. «Wann das Geschäft entscheidungsreif sein wird, hängt vom Resultat des Mitberichtsverfahren ab und kann deshalb noch nicht vorausgesagt werden.»


Beschwerde hängig

Nach wie vor ist beim Kanton die Beschwerde hängig gegen die Weigerung der Stadt Biel, das Härtefallgesuch der Familie ans Staatssekretariat für Migration (SEM) weiterzuleiten. Nachdem alle juristischen Mittel ausgeschöpft sind, liegt darin die letzte Hoffnung den Aufenthalt in der Schweiz zu legalisieren. Mehr noch: Damit könnte das Bleiberecht erwirkt werden, um das die Familie und das Netzwerk, das sie unterstützt, seit acht Jahren kämpft.

Bei der Ausschaffung droht die Familie getrennt zu werden. Denn der Vater, obschon gebürtiger Armenier, ist kasachischer Staatsbürger, die Mutter Armenierin. Beide Staaten wollen den ausländischen Ehepartner nicht bei sich aufnehmen. Die drei Kinder, sechs-, fünf- und zweijährig, sind in der Schweiz geboren (das BT berichtete).

Arpine Safaryan und Ashot Mikayelyan leben mit den Kindern quasi im Auge des Sturms. Bei den fieberhaften Aktivitäten im Kampf um ihr Bleiberecht können sie kaum helfen. «Das ist hart für sie», sagt Albonico. «Am schlimmsten ist für die Eltern die Tatsache, dass sie uns nichts zurückgeben können. Dabei sind sie so dankbar.» Trotz der belastenden Umstände seien sie zuversichtlich, dass sie hierbleiben dürfen. (https://www.bielertagblatt.ch/…/das-leben-im-rueckkehrzentr…)




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