Zum Beitrag: ,,Fühlt sich gut an'' in der Republik vom 21.04.2020
Besorgt sind auch wir Schweizer! Besorgt, über die Probleme vor unserer Türe möglichst wenig zu wissen! Nicht nur über die Probleme in der "fernen" Ägais, sondern z.B. vor der ganz eigenen, privaten Haustüre: Da werden von unserem Staatssekretariat für Migration Asylbewerber aus der Ägais oder sonstwo im Mittelmeer, nach einer Rettungsaktion "aufgenommen", um sie bis zu fünf Jahre in Asylzentren aufzubewahren, ... um sie dann wiederum, nach einem ... selbstverständlich ... alle Menschenrechtsgarantien beachtenden "Asylverfahren" serienweise abzuweisen ("es wird jeder Fall individuell behandelt", "die Rückkehr in das Heimatland ist zumutbar", z.B. nach Eritrea, Afghanistan, Irak, Iran. 2019 wurden gemäss meinen Informationen z.B. 2019 allein im Kanton Bern über 60 junge Lehrlinge mit einem vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Abweisungsbefehl von einem Tag zum anderen aus ihrer Berufsausbildung herausgerissen: Malerlehrlinge, Mechatroniker, Pflegefachangestellte, etc., gnadenlos und ohne die Bittschreiben ihrer Lehrmeister zu beachten. Das sind fast drei Berufsschulklassen! Sie können meist nicht einmal ihr Lehrjahr beenden. Ihnen bleibt nur das Abtauchen in die EU (nach ein paar Monaten und Jahren über "Dublin" wieder in die Schweiz) oder als Sans-Papier in unserem Land. Oder - besonders wenn es Frauen mit Kindern sind, ein völlig perspektivloses, unendliches Warten in einem sog. "Rückkehrzentrum". Dies passiert nicht in der Ägais, sondern wenige Meter vor unserer Haustüre. Und wir sind besorgt mit dem Wegschauen. Und unsere Justizministerin ist "besorgt" um den Rechtsstaat und kann das Asylverfahren in der Coronakrise nicht sistieren, die "rechtsstaatlichen" Verfahren müssen weiterlaufen, hinter Glasscheiben, wenn Corona-nötig ohne Anwesenheit der Rechtsvertreter. Ich weiss nicht, ob ich - nach Jahren vollamtlich-freiwilliger Flüchtlings- und Integrationsarbeit - guten Gewissens zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ägais raten kann, wenn diese Menschen anschliessend der Absurdität eines menschenfeindlichen Systems ausgeliefert sind. Allein über die "Zumutbarkeit" der Rückkehr von Menschen in ihr Herkunftsland liessen sich Bände schreiben. Unser Asylsystem wird auf formal-haarscharfe Minimaleinhaltung der Menschenrechtskonventionen ausgerichtet, welche wir mitunterzeichnet haben. Und auf möglichst tiefe Kosten. Das Gewissen wird mit einer Glückskettentag beruhigt. Die Glückskette in allen Ehren! Frau Merkel und Deutschland haben zumindest "Wir schaffen Das" versucht. Wir, die wir die Humanität gepachtet haben ....
von Jürg Schneider, Mitglied AG Nothilfe
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