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  • Rahel Weiss

Weshalb ein Ehepaar einen abgewiesenen Eritreer bei sich aufnimmt

Aktualisiert: 2. Juni 2023

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis vom Montag, 24.02.2020


Berhe Goytom muss zurück. Das weiss er. Das Asylgesuch des 27-jährigen Eritreers wurde abgewiesen, das heisst, er darf nicht in der Schweiz bleiben. Gleichzeitig hat die Schweiz mit Eritrea kein Rücknahmeabkommen, das heisst, die eritreischen Behörden akzeptieren nach wie vor keine zwangsweise Rückkehr ihrer Staatsbürger. Und freiwillig geht er nicht. Er könne nicht zurück nach Eritrea, sagt er. Er erwähnt eines seiner Geschwister, das seit über 27 Jahren im Militärdienst ist. Er könne nicht so leben, sagt er. Berhe Goytom sitzt fest.


Eine neue Mama

Während seinem Asylverfahren hatte er Anrecht auf Asylsozialhilfe. Als sein Gesuch abgelehnt wurde, verlor er dieses Anrecht. Er würde neu acht Franken Nothilfe am Tag erhalten – deutlich weniger als zuvor – wenn er sich ab Frühling 2020 in einem Rückkehrzentrum unterbringen lassen würde. Aber: Berhe Goytom hat ein Berner Paar gefunden, das ihm ein Dach über dem Kopf, elterliche Liebe und finanzielle Sicherheit gibt.


Iris und Paul Stillhard leben in Wichtrach im Aaretal. Die beiden fühlen sich mit Berhe Goytom stark verbunden: «Wir lieben ihn genauso wie unsere eigenen Söhne», so Iris Stillhard. Der Eritreer sagt ihr Mama.


Wie das Asylsystem neu funktioniert

Am 5. Juni 2016 haben die Schweizer Stimmberechtigten dem neuen Asylgesetz zugestimmt. Wer in seinem Heimatland nicht verfolgt ist, kann und muss dorthin zurückkehren. Wer zurückkehren muss, darf nicht arbeiten. Den Entscheid, ob jemand verfolgt ist und somit in der Schweiz bleiben darf, trifft das Staatssekretariat für Migration (SEM) des Bundes, beziehungsweise das Bundesverwaltungsgericht. Das sind die Vorgaben des Bundes, die Kantone müssen die Entscheide des Bundes vollziehen.

2019 hat der Grosse Rat des Kantons Bern die neue Asyl- und Flüchtlingsstrategie beschlossen. Dazu gehört, dass es im Kanton drei sogenannte Rückkehrzentren gibt: Zentren, in denen abgewiesene Asylsuchende bleiben können, bis sie ausreisen. Bald sollen diese den Betrieb aufnehmen, die Standorte sind bereits bestimmt.


Mitte Januar 2020 informierte der Kanton Bern sämtliche Personen mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid ein erstes Mal. Alle rückkehrpflichtigen Personen, die sich nicht zu einer selbstständigen Ausreise entschieden haben, erhielten detaillierte Informationen zu ihrem persönlichen Transfer in das Rückkehrzentrum. Betroffen sind im Kanton Bern einige hundert Personen. Auch Berhe Goytom.


Weshalb Berhe Goytom im Aaretal bleibt

Seit fünf Jahren ist er in der Schweiz, seit knapp einem halben Jahr lebt er bei Stillhards. «Ich hoffe, ich kann ihnen später einmal auch helfen», sagt er. Es fällt ihm nicht leicht, anzunehmen, was ihm das Ehepaar bietet.

Was das Ehepaar macht, ist nicht illegal. Der Kanton Bern ist informiert, es gibt eine Vereinbarung zwischen dem Migrationsdienst und dem Ehepaar. Iris Stillhard liest vor: «Mit der folgenden Vereinbarung verpflichte ich mich, für die Kosten der obgenannten Person des Asylbereichs aufzukommen: Unterbringung, Verpflegung, Hygiene, einschliesslich Transportkosten und Kleidung.» Als Gegenleistung darf Berhe Goytom im Haushalt helfen.


Aber er darf nicht arbeiten. Das heisst, er dürfte auch nicht mithelfen, den Garten umzugestalten. «Ich habe keine andere Zukunft als diese Familie hier», sagt Berhe Goytom. Für Iris Stillhard ist klar: Sie lässt ihn nicht umziehen in ein Rückkehrzentrum. Das würde sie mit ihrem eigenen Kind auch nicht machen.


Quelle: srf.ch



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