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  • Rahel Weiss

Die Geschichte von Tingle aus Tibet

Aktualisiert: 24. März 2020


Mein Name ist Tingle, ich bin aus Tibet. Ich bin seit sieben Jahren in der Schweiz. Nachdem mein Asylgesuch abgelehnt wurde, wurde ich aufgefordert, die Schweiz zu verlassen, was aufgrund fehlender Ausweisdokumente allerdings nicht möglich ist. Seit zwei Jahren bin ich in einer sehr schwierigen Lebenssituation: ich lebe in einer Notunterkunft, die ich jeden Morgen um 8:00 Uhr mit meinem gesamtem Gepäck verlassen muss. Ich darf erst spät abends um 22:00 Uhr zurückkehren. Jeden Morgen erhalte ich 8 Franken; damit muss ich den ganzen Tag auskommen. Ich habe keinen Zugang zu einer Küche. Bisweilen kommt es in der Notunterkunft zu gefährlichen Situationen, weil dort auch betrunkene und gewaltbereite Personen leben. Daher habe ich im Sommer einige Nächte in einem Zelt verbracht, das ich in der Brockenstube gekauft habe. Ich lebe nun teilweise nomadisch und kann ab und zu bei Familien übernachten. Arbeiten ist mir strikt untersagt.


Ich habe meine Heimat Tibet verlassen müssen, weil ich dort politische Aktivitäten unternommen habe, infolge derer mir Haft und Folter drohen. Im Jahr 2012 habe ich daher in der Schweiz politisches Asyl beantragt. 2017 bekam ich dann einen ablehnenden Bescheid, mit dem Hinweis, dass ich vermutlich in Indien oder Nepal gelebt hätte. Dies, obwohl ich dem SEM mein Hokuo-Familienbuch, persönliche Fotos aus Tibet, einen Zeugen sowie auch einen Brief des Klosters in Nepal, in dem ich mich nach der Flucht vier Monate aufgehalten hatte, als Beweismittel zur Verfügung gestellt habe.


Ausserdem habe ich Briefe an die indische und nepalesische Botschaft geschickt, um Klarheit hinsichtlich meiner Herkunft zu schaffen. Doch ich bekam keine Antwort.

Für die Beschwerde gegen den Asylentscheid vertraute ich mich einem Anwalt an. Doch er verpasste Fristen und verbaute mir so die Chance auf einen revidierten Entscheid.

Ich habe die Schweiz immer als freies, rechtsstaatliches und die Menschenrechte achtendes Land verstanden. Unter der bestehenden Situation schwindet leider auch mein Glaube daran. Ich weiss nicht, wie lange ich diese Lebensumstände noch ertragen kann.

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